Existenzgründerpreis 2022
Sonntag, 12. Juni 2022 WIRTSCHAFT
Axel Blankenburg, Präses der Kaufmannschaft zu Lübeck, hofft auf Firmenideen im Bereich Künstliche Intelligenz
Im November 2021 hat Axel Blankenburg das Amt des Präses der Kaufmannschaft zu Lübeck übernommen. Mit den LN spricht er über den Existenzgründerpreis der Lübecker Wirtschaft.
Wer durch den holzgeschnitzten Treppenaufgang zur Kaufmannschaft kommt, denkt an Tradition und Buddenbrooks. Passt dazu, dass Sie Innovation und Existenzgründer fördern?
Die Kaufmannschaft ist eine sehr alte Körperschaft, wir gehen zurück bis ins 12. Jahrhundert. Aber auch die Buddenbrooks waren Existenzgründer und haben sich mal selbstständig gemacht, ebenso unsere gut 500 Mitglieder. Für mich bedeutet Existenzgründung: frische Ideen, unkonventionelle Umsetzung, Enthusiasmus, mit Energie loslegen, selbstbestimmt arbeiten.
Herrscht Ihnen denn genug Gründerstimmung im Norden?
Nein. Wir engagieren uns ja deshalb unter anderem beim Existenzgründerpreis, um diese Stimmung zu fördern.
Ist die Angst vor einem Misserfolg zu groß?
Ja. Bei uns ist die Kultur des Scheiterns unterentwickelt. Wenn Sie mit einem Unternehmen scheitern, also in die Insolvenz gehen, sind Sie am Markt verbrannt. Bis Sie wieder Kraft haben, neu zu starten, dauert es Jahre. In Dänemark ist das anders: Wenn Sie da scheitern, heißt es: Das ist eine Erfahrung, aus Fehlern lernen wir – auf ein Neues! Und das funktioniert. In Deutschland sind wir zu sehr diesem buddenbrookschen Denken verhaftet: Wer einmal versagt hat, ist Versager fürs ganze Leben. Das ist falsch. Wenn es hier Anerkennung und Hilfe auch beim Misserfolg gäbe, würde das vielen Menschen die Angst vor der Existenzgründung nehmen.
Krieg, Inflation, Corona drücken aufs Gemüt der Gesellschaft. Was könnte Menschen derzeit die nötige Zuversicht geben, eine Firma zu gründen?
Natürlich ist vieles in Zeiten einer Hochkonjunktur einfacher. Aber wenn jemand eine gute Idee hat und er sie umsetzen will, wenn er selbstbestimmt arbeiten will, dann ziehen solche Argumente auch in einer solchen Zeit.
Können Sie Beispiele nennen, die Ihnen Mut machen?
Aus der Zusammenarbeit mit dem Technikzentrum Lübeck, an dem die Kaufmannschaft zu einem Drittel beteiligt ist, sehen wir: Viele Start-ups, auch viele Ausgründungen aus der Universität und der TH, machen uns sehr viel Mut. Das ist ja auch für Lübeck sehr wertvoll, weil wir durch die Hochschulen hier so viel Potenzial haben. Dieses Potenzial umzusetzen, gelingt zum Beispiel durch die Arbeit des Technikzentrums, das Gründer durch Räume und Infrastruktur unterstützt. Aber auch so ein Wettbewerb wie der Existenzgründerpreis der Lübecker Wirtschaft hat da seine Funktion: Nicht das Preisgeld von 5000 Euro ist das Entscheidende, sondern das Bekanntwerden der Idee, das hilft den Gründern ja viel mehr.
Was für ein Start-up wünschen Sie sich für den Existenzgründerpreis 2022?
Lübeck ist ja stark im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Da wünsche ich mir, dass jemand in diesem Bereich eine überzeugende Firmenidee entwickelt. KI hat ja mit Vorurteilen zu kämpfen wie „Oje, wir geben das Denken aus der Hand“, aber das stimmt ja nicht: Es sind immer noch Menschen, die den Maschinen sagen, was sie zu tun haben.
Sie sind Hartmut Richter nach seinem überraschenden Tod im November 2021 im Amt des Präses nachgefolgt. Wie sehr lag Richter der Existenzgründerpreis am Herzen?
Sehr. Hartmut Richter hat viel dazu beigetragen, dass Kaufmannschaft, IHK und TZL den Wettbewerb seit nun drei Jahren fördern. Das war eine Herzensangelegenheit für ihn – und das ist es für mich auch.
Interview: Lars Fetköter